Es war eine sehr ruhige Nacht bisher ohne größere Notfälle. Am frühen Abend war Colonel Weber eingeliefert worden nachdem er mit weniger körperlicher Widerstandskraft den "Phonsy" gemacht und mit seinem Jäger ein Torpedo abgefangen hatte. Er blieb die Nacht mit schweren Prellungen und einer Gehirnerschütterung zur Beobachtung, jedoch erwartete Adhara da auch keine besonderen Vorkommnisse. Er hatte eine ordentliche Dosis Schmerzmittel bekommen, und brauchte erst einmal vor allem Ruhe.
Mit einer großen Tasse Kaffee hatte Adhara sich im Aufenthaltsraum mit ihren Büchern und Unterlagen ausgebreitet und nutzte im Endspurt so gut wie jede Gelegenheit zum Lernen. Allerdings hatte sie auch schon Pläne für den nächsten Schritt: die Doktorarbeit. Vielleicht war eine eher ereignislose Nachtschicht wie diese perfekt, Dr Ayuhara danach zu fragen....
Adhara nahm allen Mut zusammen, schließlich war ihr Anliegen etwas 'außergewöhnlich'. Doch für den Fall, dass es auf Unverständnis stieß würde sie so noch genug Zeit haben, einen Plan B zu entwickeln. Sie nahm einen großen Schluck Kaffee, stand auf und klopfte an Geishas offene Bürotür.
"Ma'am, 'aben Sie einen Augenblick für mich?"
Sie wartete noch außerhalb der Türschwelle auf eine Antwort.
Auf dem ordentlich sortierten Schreibtisch steht ein Tablett mit einer dampfenden Teekanne zusammen mit mehreren Porzellanschalen, die allesamt ein ähnliches Muster tragen wie die Kanne selbst. Geisha selbst hält ein Schälchen in ihrer linken Hand und wendet den Blick von ihrem Monitor ab, um ihn auf Corbeau zu richten.
"Ich habe für Sie so viel Zeit, wie ich ohne akute Notfälle aufbringen kann. Treten Sie ein und setzen Sie sich." sagt Geisha freundlich und winkt sie mit der freien Rechten heran.
Ihr Arztkittel hängt sorgfältig auf dem Kleiderständer in der Ecke, daneben im kleinen Regal ruhen ihr abgenutzt aussehender Arztkoffer, mit dem sie gewöhnlich unterwegs ist, und mehrere Gürteltaschen für den Feldeinsatz, die wesentlich weniger gebraucht aussehen, aber dennoch nicht ungenutzt wirken. Es hat sich bereits herumgesprochen, dass Geisha großen Wert auf akkurate Bestückung der Einsatzmittel legt, so dass dieser Anblick nur noch die Vorbildfunktion unterstreicht, welche sie sich selbst abverlangt.
(151 Wörter)
"Geduld ist die Kunst, nur langsam wütend zu werden." (- Japanische Weisheit)
Adhara nickte und trat ein. Geisha hatte dem Büro mit ihrem Teesevice inzwischen einen persönlichen Touch verpasst. Doch sie hatte ja schon bei ihrer ersten Begegnung mitbekommen, dass sie ein Händchen fürs Dekorieren hatte.
"Ma'm , ich 'abe mir ein paar Gedanken über die Zukunft gemacht... Nach der Abschlussprüfung würde ich gerne die Dissertation angehen. Ich 'abe da eine Idee, die mich in den letzten Wochen schon nicht los lässt. Allerdings ist sie möglicherweise un petit peu unkonventionell für eine Allgemeinmedizinerin... "
Sie atmete einmal tief durch ehe sie zum Punkt kam.
"Sie als Xenobiologin teilen möglicherweise meine Faszination. Es geht um Nephilim."
Geisha blickt zu Corbeau und hört sich ruhig an, welches Anliegen sie hierher geführt hat. Als sie das entscheidende Stichwort ausgesprochen hat, merkt Geisha auf.
"Möchten Sie einen Tee ?" fragt sie freundlich.
Sie streckt ihre Hand aus und schaltet den Computer aus, dann setzt sie sich etwas bequemer in ihren riesigen Sessel.
"Ihre Berufung zur Allgemeinmedizin ist keine endgültige Entscheidung für den Rest ihres Lebens, Ensign. Sie können sich später jederzeit weiterbilden und eine zusätzliche Fachrichtung als neuen Fokus annehmen, auch wenn das den Aufwand des Lernens von neuem befeuert. Es sollte Ihnen gleichgültig sein, ob Ihre Entscheidungen für andere Personen unkonventionell oder unangebracht sind, denn nur wenn Sie Ihre persönlichen Interessen und Neigungen verfolgen, können Sie sicher sein, dass sie langfristig die nötige Motivation aufbringen, um Erfolg zu haben."
Geishas Stimme ist leise und melodisch, aber dennoch spürt man die Aura der Kompetenz einer erfahrenen Wissenschaftlerin.
"Ich werde Ihre Wahl nicht in Frage stellen, aber eine Sache würde mich interessieren: Warum die Nephilim ?"
(166 Wörter)
"Geduld ist die Kunst, nur langsam wütend zu werden." (- Japanische Weisheit)
Und schon wieder Tee... Erst der Admiral, nun Dr Ayuhara. Adhara dachte an ihre Kaffeetasse im Aufenthaltsraum, doch wieder wollte sie das freundliche Angebot nicht ablehnen. Wenn alle so weitermachten, würde sie vermutlich doch noch- wenn auch nicht ganz freiwillig- zu einer Teetrinkerin mutieren. Doch dies hier konnte länger dauern, wenn kein Notfall dazwischen kam....
"Merci, das wäre nett."
Wie erklärte sie das nun am besten ohne den Nephilim zu erwähnen, den es offiziell nie gegeben hatte?
"Mein Interesse resultiert aus einer Fast- Begegnung mit einem oder mehreren Nephilim. Ich 'abe bei einem Außeneinsatz einen Überlebenden versorgt. Kein Crewmitglied der Sewastopol bevor Sie fragen."
Sie hoffte, dass das vage genug war. Doch erst einmal holte sie weit aus.
"Bevor ich auf die Sewastopol versetzt wurde war ich nur auf Sol stationiert gewesen. Aufstände, organisiertes Verbrechen... den eigenen 'ausflur sauber 'alten. Nephilim sind ziemlich an mit vorbei gegangen wenn man nur durch 'eimische Steppen oder Mangrovensümpfe stapft. Ich kannte sie nur aus den Nachrichten oder von Erzählungen von Kameraden als interstellare 'euschreckenplage. 'Dumme Fresskäfer'."
Langsam kam sie zum Punkt.
"Nach dem ersten engeren Kontakt 'abe ich angefangen, mich näher mit ihnen zu beschäftigen. Vielleicht ist es meine Naivität, da ich nie gegen sie gekämpft 'abe, aber mich fasziniert ihre Art der telepathischen Kommunikation untereinander- und dieses Schwarmbewusstsein. Wahrscheinlich ist es genau diese Naivität die es braucht um sie neutral und rein wissenschaftlich betrachten zu können- ohne eigene negative Erfahrungswerte. Und seien wir ehrlich- da wo wir jetzt 'in unterwegs sind... da werden wir mehr mit ihnen zu tun bekommen. Mann müsste blind und taub sein um das ignorieren zu können"
Und da war noch etwas, was Geisha vielleicht nicht wusste, wenn sie nicht gerade die Akten von Gefallenen las...
"Vor ein paar Jahren 'atten wir mal einen gefangenen jungen Nephilim an Bord zu Forschungszwecken. Soweit ich weiß 'aben Commander Nakamura und Dr E'Lar.."
Wieder fühlte es sich seltsam an, Cassandras Namen zu erwähnen, der nun auch ihr Nachname war.
"... damals mit ein paar Testpersonen dessen Auswirkungen auf Menschen in seiner Nähe untersucht. Ein guter Freund von mir, Lt Col Baker, der leider inzwischen gefallen ist, war daran beteiligt. Daher weiß ich überhaupt davon. Er war damals von Nephilim entführt worden. Sie 'atten ihm ein Implantat ins Gehirn eingesetzt, das später von Dr Green entfernt wurde. Seine Reaktion auf Nephilim war immer besonders stark- selbst nach der Operation- in Form von anfallartigen Kopfschmerzen. "
Sie machte eine kurze Pause, damit Dr Ayuhara alle Informationen erst einmal verarbeiten konnte.
"Vielleicht könnte ich an diese alte Studie irgendwie anknüpfen. Ich bin nach wie vor Ärztin und könnte in die Richtung forschen, was für neurologische Reaktionen es in Menschen auslöst wenn Nephilim versuchen mit uns telepathisch zu kommunizieren. Da 'atte ich überlegt, den Admiral zu fragen., ob ich irgendwie Zugang zu den alten Daten bekommen könnte."
Geisha nimmt die Kanne und eine Schale, dann gießt sie sorgfältig den Tee ein. Sofort steigt eine Wolke angenehmen Aromas auf, während Corbeau einen kleinen Teller auf dem Tablett erspähen kann, worauf feuchte Teeblätter ruhen - offensichtlich hat Geisha den Tee nicht wie gewohnt aus synthetischen oder tiefgekühlten Vorräten, sondern aus frischen Blättern aufgebrüht. Sie stellt die Schale vorsichtig vor Corbeau ab und kehrt dann in ihre vorherige Haltung zurück und hört sich in Ruhe an, was Corbeau zu erzählen hat. Nachdem sie zum Ende kommt, streckt sich Geisha ein weiteres Mal und nimmt ein Notizbuch mit Stift zur Hand.
"Das ist ein Thema, was nicht leichtfertig oder ohne Vorsicht angegangen werden darf. Wir müssen uns eingehender darüber unterhalten. Sollte es Gründe geben, warum Sie mir gewisse Dinge nicht sagen, werde ich das respektieren - aber ich erwarte, dass Sie mich darauf hinweisen." sagt Geisha ruhig, ihre Stimme ist gewohnt leise, aber diesmal schwingt ein Tonfall darin mit, der bisher noch verborgen geblieben war. Eine nicht greifbare Macht liegt in ihren melodischen Worten, die man von der zierlichen Asiatin nicht erwarten würde.
"Wann fand dieser Einsatz statt und was ist mit dem Überlebenden nach der Erstversorgung geschehen ?"
Sie macht sich einen Vermerk, eine dringende Anfrage an Nakamura und den Admiral einzureichen, um den Verbleib der Forschungsergebnisse und des Implantats zu ergründen, da in den Unterlagen von Bones keine Hinweise darauf zu entdecken waren.
"Mein Fachgebiet ist zwar die Xenobiologie, wie Sie wissen, aber meine Erfahrungen mit Nephilim sind nur begrenzt. Ich habe durchaus schon Vergiftungsopfer behandelt und wissenschaftliche Berichte gelesen, aber ein direkter Kontakt zu dieser Spezies hat sich bisher nicht ereignet. Dieses...zweifelhafte Vergnügen hatte ich mit den Mantu."
Geisha macht eine längere Pause, es scheint fast, als habe sie gerade mehr preisgegeben als sie wollte.
"Sie sollten sich keine Gedanken machen, wenn Ihre Dissertation von Ihrem Kerngebiet abweicht. Der zentrale Aspekt ist, dass Sie daran interessiert sind, darum sollte man Ihnen auch kein Thema aufnötigen. Allerdings hätte ich noch eine wichtige Frage."
Sie richtet ihre mandelförmigen Augen direkt auf Corbeau. "Wer ist Ihr Doktorvater ?"
(347 Wörter)
"Geduld ist die Kunst, nur langsam wütend zu werden." (- Japanische Weisheit)
Adhara wurde leicht nervös. Sie hatte schon mehr gesagt als sie eigentlich sollte...
"Ma'am... der Überlebende wurde an seiner "Schussverletzung" operiert. "
Ihr Blick bekam etwas Eindringliches, als würde sie ein Stummes "Wenn Sie verstehen was ich meine..." nachschieben.
"Mehr kann ich Ihnen leider nicht dazu sagen."
Und sehr wahrscheinlich würde es darüber keinerlei Aufzeichnungen geben, da er Mitglied einer Black Ops Einheit war... Die meisten ihrer Außeneinsätze waren offiziell vermutlich nie passiert. Sie brachten ihr Erfahrung und Abwechslung, doch keine offizielle Anerkennung.
"Soweit ich weiß wurde der Nephilim, den wir an Bord 'atten dem HQ übergeben. Es ist möglich, dass dort weiter an ihm geforscht wird oder wurde. Aber das war lange vor meiner Zeit an Bord."
Sie nahm die Schale mit dem Tee und schnupperte zuerst daran, ehe sie einen vorsichtigen Schluck nahm. Grüner Tee... aus frischen Blättern. Gerne hätte sie nach etwas Honig gefragt, kam sich jedoch zu 'banausig' vor um es zu tun.
"Zur Frage mit dem Doktorvater... da 'atte ich gehofft, dass Sie mir da zur Seite stehen könnten."
War die Erwähnung der wenigen Erfahrung mit Nephilim da schon eine Ablehnung? Mantu... die hatte sie bekämpft, doch im Grunde seit dem Ende des Krieges ihren Frieden damit geschlossen. Sie war nicht nachtragend was alte Feinde betraf. 'Feind' war der, der einen aktuell angriff.
Geishas Mimik verändert sich nicht im Geringsten, als Corbeau ihr offenbart, dass die Grenze der Geheimhaltung erreicht ist. Die Unleserlichkeit der asiatischen Gesichtszüge ist bei Geisha beinahe ein Paradebeispiel, so dass es unmöglich ist zu erschließen, wie sie darüber denkt. Lediglich das Kratzen des Stiftes im Notizbuch stört die uneingeschränkte Aufmerksamkeit, mit der Geisha in die Augen ihrer Gesprächspartnerin blickt. "Ich hoffe, der Tee schmeckt Ihnen. Wenn Sie Zucker dazu nehmen möchten, ich habe noch etwas vorrätig." fragt Geisha freundlich, ehe sie aus ihrer eigenen Schale wieder einen Schluck nimmt.
"Ich fühle mich von Ihrer Anfrage hoch geehrt, es wird mir eine Ehre sein, Ihnen als Doktormutter auf dem Weg zur Ihrer Habilitation - und ich hoffe, auch darüber hinaus - zur Seite stehen zu dürfen. Ich werde meine Möglichkeiten voll ausschöpfen, um Ihnen Zugang zu allen Daten über die Nephilim zu gewähren, soweit es möglich ist."
Geisha erhebt sich aus ihrem Sessel und richtet sich gerade hinter dem Schreibtisch auf, dann streckt sie ihre rechte Hand aus und wartet ab.
Die Konsequenzen dieses Moments haben ein unüberschaubares Ausmaß. Nun wird sie der schicksalhaften Begegnung nicht länger ausweichen können, was ihr bisher noch gelungen war. (195 Wörter)
"Geduld ist die Kunst, nur langsam wütend zu werden." (- Japanische Weisheit)
